Rezension von Anne Rudbeck

Über Sexualität zu reden kann schwer sein, aber wir müssen es versuchen

Frida Nøddebo Nyrups Buch über Elba, die etwas über Vulva und Penis und noch vieles mehr lernt, ist in der immer noch sehr begrenzten Zahl der Kinderbücher über Sexualität von Kindern ein erfrischender Beitrag; besonders, weil Doktorspiele und die Tabuisierung der sexuellen Neugierde bei Kindern im Buch nicht.

Wer Pädagogikstudierende in Sexualität, Geschlecht und Vielfältigkeit unterrichtet, weiß, dass die Entfaltung der Sexualität in Kinderhöhe (noch immer) viel zu wünschen übrig lässt. Das Wissen über dieses Defizit stammt von einer Analyse der einschlägigen Literatur und Forschung und von der Arbeit von Pädagogikstudierenden, die aus ihren Praktika in den dänischen Institutionen berichten, dass die sexuelle Entwicklung von Kindern und ihre sexuelle Neugierde vielerorts noch immer tabu sind. Mögliche Konsequenz: Kinder wachsen mit einer Einstellung zu Sexualität auf als etwas, das umgelenkt und versteckt werden muss. Das kann ihnen eine Distanz zum eigenen Körper und zur eigenen Sexualität geben – und das wünscht sich niemand.

Frida Nøddebo Nyrup erlebte es ähnlich und darum schrieb sie ein Buch für Kindergarten- und Vorschulkinder, das in einer spannenden Geschichte über das Mädchen Elba die Sexualität von Kindern erforscht, die Anatomie des männlichen und weiblichen Körpers kennen lernt, Grenzen setzt und Verständnis für die Normen erlangt, die unsere Gesellschaft in puncto Sex, sexuelle Neugierde und den Unterschied zwischen Sexualität bei Kindern und bei Erwachsenen aufgestellt hat. Hier soll erwähnt werden, dass eben dieser Unterschied zwischen Sexualität bei Kindern und Sexualität bei Erwachsenen Fakt ist. Er ist markant, wird aber oft ignoriert. Das mag der Grund dafür sein, dass viele Erwachsene noch immer peinlich berührt sind und aus dem Gleichgewicht gebracht werden, wenn Kinder im Kissenzimmer Doktor spielen oder sich in der Vorschulklasse auf einem Sofarücken rhythmisch hin- und herbewegen.

Im Vorwort fordert die Autorin den Leser dazu auf, dass man als Fachperson bzw. Erwachsener auf mehreren verschiedenen Ebenen mit Kindern über Sexualität spricht. Als Hilfe dient ein Dialogzirkel, der Wege zeigt, wie man mit Kindern über Sexualität sprechen kann. Das wird im Nachwort des Buchs näher erläutert. Es folgt die Geschichte des Kindergartenmädchens Elba, das neugierig auf ihre Scheide wird und spürt, wie schön es sich anfühlt, wenn diese mit einer Feder oder Rieselsand stimuliert wird. All das erlebt Elba zusammen mit ihrer Freundin aus dem Kindergarten. In der Erzählung tragen Elbas Eltern mit einem Anatomiebuch bei und der Erzieher Anton zeigt den Kindern, wie man Grenzen setzt und lernt, sich gegenseitig zu respektieren. Allen Kapiteln im Buch folgen Fragen zur Inspiration. Für etwas größere Kinder ist der Text leicht zu lesen, sie können das Buch also selbst lesen und eventuell die Fragen schriftlich beantworten. An dieser Stelle möchte ich die Debatte an den dänischen Schulen erwähnen, wo Lehrern laut eigener Aussage das Fachwissen für den Sexualunterricht fehlt – hier kann „Elbas kleines ABC zur Sexualkunde“ ein wichtiger Beitrag sein, wie man Grenzen setzt, den Körper (und seine Unterschiede) erklärt und darüber spricht, was sich schön anfühlt. Das Buch hat mit anderen Worten großes didaktisches Potenzial und ist für Lehrer und Erzieher ein praktisches Werkzeug in schwierigen Gesprächen.

Die Illustrationen sind ansprechend und der Anatomieteil sehr naturgetreu. Ein witziges Detail ist die Schildkröte Tortelli, die sich als niedliches und wiedererkennbares Kuscheltier durch Elbas Abenteuer zieht. Einige Leser mögen fühlen, dass hier persönliche Grenzen überschritten werden, wenn Elbas Vater den Spiegel hält, damit Elba sich ihre äußeren Geschlechtsorgane anschauen kann, aber ich denke, hier ist das Gleichheitsprinzip wichtig, denn kann es nicht ebenso gut der Vater wie die Mutter sein, mit der Elba das Gespräch über die Anatomie des Körpers hat?

Im Nachwort der Buchs wird der Leser auf eine Reise eingeladen, die die Sicht auf die Sexualität von Kindern im Wandel der Zeit zeigt – und man versteht plötzlich, warum es noch heute schwer sein kann, über Sexualität zu sprechen, und auch, warum unsere Erzieher sich manchmal in einem Dilemma zwischen fachlichem Wissen und gesellschaftlicher Sicht auf die Sexualität von Kindern finden. Das Nachwort gibt ein besseres Verständlich für die Entwicklung der Sexualität und wie und warum Verbot, Demütigung und Tabuisierung der Sexualität in der Kindheit die Sexualität im Erwachsenenalter hemmen oder sogar zerstören können.

Ein humorvolles Detail im Nachwort sind die kleinen Berichte über die Sexualität von Kindern an anderen Orten der Welt. Diese Geschichten unterstützen meine Ansicht, dass die Sicht auf die Sexualität von Kindern in Dänemark ihren Ursprung in einem diskursiven und normativen Verständnis von Sexualität hat, mit dem das vorliegende Buch brechen will, indem es zum Dialog über das Natürliche und Normale in der sexuellen Neugierde von Kindern einlädt. Danke Frida – das Buch ist ab jetzt fester Bestandteil des Unterrichtspensums.

Anne Fricke Rudbeck
Cand.pæd. in der pädagogischen Anthropologie
afru@ucsyd.dk
Tlf: 72665083
UCSyd, Campusallé 20, 6200 Aabenraa