Rezension von Jørgen Nancke

Kennen Sie Vulva und Penis?

Ich begegnete der Autorin und Lektorin für Pädagogik Frida Nøddebo Nyrup auf einer Buchausstellung, auf der sie ihr Buch „Elbas kleines ABC zur Sexualkunde“ vorstellte und ich erhielt sogar ein signiertes Exemplar. Ich studiere Lehramt, bin im letzten Jahr, und darum war mein Interesse groß, denn ich will für meinen Beruf gut gerüstet sein. Das Buch kam also in die Tasche und dort hat es bis vor Kurzem gelegen, bis ich es beim Aufräumen wiederfand.

Eigentlich bin ich recht vorurteilsfrei und bin für natürliche Entwicklung, Neugierde und dass Kinder Platz brauchen, um das Leben, andere und nicht zuletzt sich selbst zu spüren – oder so dachte ich zumindest … Mir ging es wohl eher wie jenen, die im Vorbeigehen einen Blick auf die Überschrift dieser Rezension werfen …

„Papa, willst du nicht meine Vulva streicheln – ich glaube, das wäre schön!“ fragt das Mädchen Elba ihren Vater, als sie zusammen auf dem Sofa sitzen. Ergänzt wird das Ganze durch eine veranschaulichende Zeichnung, die zeigt, wie Elba ihr Kleid hochzieht. Ich fühlte mich ganz verkehrt. In meinem Kopf blinkte die rote Lampe und ich bekam diese Lege-das-Buch-weg-bevor-dich-jemand-damit-sieht-Reaktion, während ich am liebsten beide Hände über den Kopf gehalten hätte, Handflächen nach vorn, um auf ein „Freeze!“ eines schwer bewaffneten SWAT-Teamleiters in Schwarz zu warten, während ein kleiner roter Punkt auf meiner Stirn tanzt.

Meine Frau erinnerte mich jedoch daran, dass einer unserer Töchter sich, als sie ein Jahr alt war, manchmal am Bein unseres Couchtisches rieb, wenn sie auf dem Teppich lag und spielte. Als Vater einer Patchworkfamilie mit sechs Kindern habe ich dieses Verhalten schon mehrmals beobachtet und ich erinnere zum Glück nicht, dass ich geschimpft habe, allerhöchstens habe ich es ignoriert. „Es ist ok, dass du so etwas machst, aber bitte in deinem Zimmer.“ Das sagten wir, als sie größer wurden, vielleicht Elbas Alter. Ich denke, wir taten es, damit wir uns nicht mit diesem gefährlichen Gebiet auseinandersetzen mussten, wo die schmutzigen Worte liegen und lauern – die Medien haben mich da fest im Griff, merke ich.

Später kriegte meine älteste Tochter einen Freund, wir waren mit dem Auto unterwegs und ich erwähnte, dass es wichtig ist, dass sie nein sagen kann und dass sie nicht zu irgendetwas gezwungen war; belehrt durch Radiosendungen über das Sexualleben junger Leute, die sich durch die Filme im Internet beeinflussen lassen. „Keine Sorge, Papa, das tue ich auch, aber es fühlt sich schön an und ich kriege sogar einen Orgasmus“. Ich war wild schockiert, obwohl ich mich als modernen, trendigen und aufgeschlossenen Vater sah… Kinder sollen wissen, dass man Grenzen setzen kann und darf und dass man nicht zuletzt auf einander hören und diese Grenzen respektieren muss. Dieses Thema berührt das Buch auch.

Meine eigenen Teenagejahre waren anders, kein Film, kein Internet… Ich hatte einen diskreten Ordner unter meinem Bett, mit Klarsichthüllen mit Mädchen mit oben ohne – nur mit Schlüpfer. ”Laila macht gern lange Spaziergänge am Strand und möchte auf Lolland Tierarztsekretärin werden…”, ja, das war schon recht exotisch. In meiner eigenen Gesellschaft verbrachte ich gemütliche Stunden unter der orangefarbenen Architektenlampe, während meine Eltern mit Ihren Freunden in der Stube Karten spielten und der Kassettenrekorder wehmütige Lieder abspielte. Ich bin sicher, dass meine staubsaugende Mutter es wusste, aber niemand sagte etwas, es war nicht verboten…

Frida Nøddebo Nyrups Buch ist wunderbar illustriert, lässt nichts aus, und die Texte passen dazu. Es war schwer für mich, mich durch den Kinderbuchteil zu kämpfen, aber ich schaffte es, trotz meines inneren Konflikts zum Thema Sexualität von Kindern. Der zweite Teil, das Nachwort, brachte alles wieder ins Lot.

Frida Nøddebo Nyrup sagt: Wenn Eltern Angst vor dem Gewitter haben, haben ihre Kinder als Erwachsene wahrscheinlich auch Angst vor dem Gewitter. Wenn Kinder also erleben, dass Dinge, die mit ihrem Körper zu tun haben, verboten oder dreckig sind, nehmen sie das mit ins Erwachsenenleben. Wenn wir nur Samenspender und Geburtsmaschinen wären, wäre das vielleicht egal, aber so ist es ja nicht, Sex ist mit Vergnügen verbunden, für uns und für andre.

Sexualität bei Kindern ist gekommen, um zu bleiben, die Frage ist nun: Wie sprechen wir darüber?

Mit diesem Buch spricht Frida Nøddebo Nyrup gezielt die Unwissenheit, Berührungsängste und den konfliktscheuen Zugang vieler an. Auch ich gehöre zu ihnen. „Jemand muss vornweg gehen“, wenn hier etwas geändert werden soll, und das tut Frida Nøddebo Nyrup.

Jørgen Nancke
Studentische Lehrer
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UCL Erhvervsakademi og Professionshøjskole
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